Besser Schreiben – Teil 2

Den Leser nicht langweilen

Langeweile durch sich immer wiederholende Adjektive oder Verben kennt jeder. Leser fühlen sich heute schneller denn je gelangweilt. Mit ein paar einfachen Schreibregeln kannst du deine Texte auflockern, den Leser mit Wörtern und Sätzen die er noch nicht kennt mit Spaß beim Lesen abholen. Das ist der zweite Teil von „Besser schreiben“.

8 Mit Silben geizen: Yes, we can!

Kurze Wörter sind meist verständlicher und kraftvoller  als längere. Starke Gefühle oft als Einsilber:

  • Angst, Leid, Pein, Qual, Glück …
  • Blut, Schweiß und Tränen statt Unannehmlichkeiten

Aufgeplusterte Substantive verkürzen:

  • statt Wettergeschehen besser Wetter
  • Witterungsbedingungen
  • Zielsetzungen
  • Problemstellung
  • Gefährdungspotenzial
  • Einsteigvorgang
  • Kapazitätsüberhänge im Beherbergungsgewerbe
  • Motivationsstrukturen
  • Befindlichkeitspegel

Nicht immer kurz …

  • Unglücksmann, Wonnegraus (Goethe)
  • Das Nachtvogelhaftscheue, das Angstmeierliche (Robert Walser)
  • Weinstöpselfabrikant, Pumphosenspießer (Thomas Bernhard)
  • Beschimpfen geht nicht in langen Satzkonstruktionen, besser in einem Kraftwort, selbst wenn es lang ist.

9 Lasst Verben tanzen!

Verben bringen Bewegung, sie bringen Stimmung.
„Der Morgenwind blies stark und schlug sich mit einigen Schneewolken herum und jagte abwechselnd leichte Gestöber an  den Bergen und durch das Tal.“ (Goethe)
Wenn ein Verbum passt, ziehe es dem Substantiv vor!

Ankündigung eines Intermedia-Kongresses:
„Im Mittelpunkt stehen drei Problemkreise: die technische Realisierbarkeit neuer Kommunikationsmittel in ihrer jeweiligen Relation zur wirtschaftlichen Praktikabilität und zur kundenseitigen Akzeptanz.“

Besser: Der Kongress will für die neuen Medien klären, was die Technik kann, was die Wirtschaft will und was die Kunden mögen.

Mitteilung einer Sparkasse:
„Die Vorstände streben keine Leistungserbringung auf Kostendeckungsbasis, sondern die Erzielung von Überschüssen an.“

BesserDie Vorstände wollen Überschüsse erzielen – nicht bloß die Kosten decken.

Aber nicht solche Verben

  • Tote Verben: es gibt, sich befinden
  • Unanschauliche Verben: durchführen, erfolgen
  • Bürokratische Verben: verbleiben
  • Akademische Imponierverben: thematisieren, sensibilisieren

Es geht um die Beseitigung von Problemlagen. Der Medienkonsum ist wichtiger Bestimmungsfaktor des Freizeitverhaltens Jugendlicher. Paul ist am Strand.

Passiv ist falsch, es entmenschlicht die Handlung – typische Sprache der Bürokratie.
„Seitens der Geschäftsführung wird die Notwendigkeit gesehen …“
„Die Geschäftsführung will …“

Passiv angebracht:
Täter ist unbekannt: Simon wurde beraubt.
Es kommt nur auf’s Objekt an: Heizung muss gewartet werden.

andenken, aufoktroyieren, kommunizieren, nachvollziehen,
sorgen für, vorprogrammieren …
= Rote Karte Verben

beinhalten, fokussieren, generieren, implementieren …
= Gelbe Karte Verben

10 Mit Adjektiven knausern

Am verfallenen Brunnen vor dem weinlaubumrankten Tore, da steht unverdrossen ein knorriger, uralter, kühlen Schatten spendender Lindenbaum.
Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum.

Über allen Gipfeln ist Ruh, In allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch. Die Vögel schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest Du auch. (Goethe)

Stillehrer sind sich einig
Vorsicht mit Adjektiven, sie blähen Text oft auf, rauben ihm die Klarheit.

  • Akademisch: motivationale Voraussetzungen
  • Bürokratisch: verkehrliche Belange
  • Journalistisch: winterliche Witterung
  • PR-Deutsch: qualitativ hochwertige Waren

nützliche Adjektive:
Farben, Einordnungen, wie z.B:

  • nützliche Adjektive, sehenswerter Film …
  • pralle Adjektive: SZ 2009: Seehofer grinste
  • heiratsschwindlerisch in alle Volksrichtungen …

falsch gebildete Adjektive!

  • Fünfköpfiger Familienvater
  • Fossile Energielobby
  • Flüssiger Textschreiber
  • Warmer Würstchenverkäufer
  • Elektrische Industrie

Modeadjektive: Proaktiv, zeitgleich, zeitnah …

11 Der Krampf der Synonyme

Hauptwörter sind die Pfeiler der Sätze, sie müssen wiederholt werden, sonst leidet die Verständlichkeit. Verben, Adjektive, Präpositionen sollten variiert werden.

12 Die Krux mit den Sprachtabus

Der Intendant bzw. die Intendantin ernennt seinen Stellvertreter bzw. seine Stellvertreterin bzw. ihren Stellvertreter bzw. ihre Stellvertreterin.
Liebe Mitglieder und Mitgliederinnen …

Wer die seit Jahrtausenden währende sprachliche Benachteiligung ändern will, muss hohen Preis zahlen: mindestens Umständlichkeit und oft Lächerlichkeit.
Übrigens: Mit sprachlicher Anerkennung schwindet nicht die mangelnde praktische Anerkennung!

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